Sonntag, 12. April 2015

Tutorial: Dirndl nähen I

Tracht ist spätestens zum nächsten Oktoberfest wieder omnipräsent. Dirndl gibt's dann an jeder Ecke für wenig Geld. Alles unter 100 Euro darf sich getrost ein Schnäppchen nennen. Hin und wieder kann man so ganz nette Angebote ergattern. In der Mehrzahl sind solche Modedirndln jedoch ein bisschen zu grell, kunstfaserig und kein bisschen "echt".  Ein richtiges Dirndl zu kaufen kann ganz schön teuer werden, vor allem wenn man noch dazu verliebt in bestimmte Details ist, die Handarbeit erfordern. Wenn es dann auch noch das Dirndl einer bestimmten Region sein soll, bleibt eigentlich ohnehin nur mehr der Gang zur Schneiderin oder zum Heimatwerk. Für mich leider beides momentan unerschwinglich. 
Die gute Nachricht: Man kann Dirndl auch selbst nähen und zwar entschieden leichter als z.B. einen Mantel (glaub mir, liebes Internet, ich habe beides gemacht - kein Vergleich). Nicht zurückscheuen darf fräulein vor ein bisschen Handnäharbeit - doch das ist es auch, was ein richtiges Dirndl ausmacht und was später für bewundernde Blicke bei Trachtenkennerinnen sorgt.

Ich habe zwar schon sechs oder sieben Dirndln im Laufe meines Lebens angesammelt, aber für die Hochzeit meiner kleinen Schwester sollte schon was Neues her. Und zwar was Neues, das richtig altmodisch aussieht. Angetan hat's mir besonders dieses Bild. Eine Kreation, glaube ich, von Lena Hoschek und damit sicherlich ihr Geld wert. Ich schau ein bisschen auf mein Budget und werde mir etwas Ähnliches aus Stoffen zusammenwürfeln, die ich in meinem umfangreichen Stofflager gefunden habe.

Ein Dirndl ist nicht das Schwierigste, was frau nähen kann (immerhin: in der Regel keine Ärmel!). Aber es ist ganz sicher auch nicht das einfachste

Mein erstes Dirndl habe ich vor einigen Jahren nach einem abgenommenen Schnitt eines gekauften Dirndls und einer sehr hilfreichen Anleitung einer Forumsteilnehmerin bei hobbyschneiderin24 genäht. Inzwischen gab es bereits zwei weitere, mehrere Schürzen (und das obwohl ich mir nach der ersten geschworen habe, dass ich nie wieder eine machen werde) und diverse Modifikationen an gekauften eigenen Dirndln und auch zwei oder drei aus dem Freundes- und Familienkreis. Jetzt fühle ich mich reif für meine eigene Anleitung.

Das braucht man: 

1 m (1,40 m breit) Stoff für das Oberteil, bei mir der weiße mit den Blumen
1 m hellen Baumwollstoff für das Futter
1 m plus 20 cm (1,40 m breit) Stoff für die Schürze, bei mir beerenfarben
2 m (1,40 m breit) Stoff für den Kittel, bei mir schwarz mit weißen Streublumen
3 mal 10 cm mal 1,40 m kleinkarierten Stoff (Vichykaro) oder seeeeehr viel Hanselband (teuer)
wenn der Oberstoff ein recht dünner ist, für diesen noch zusätzlich Bügelvlies
Häkelgarn für die Paspelschnur
7 Knöpfe
Knopflochgarn in den Farben des Kittls und der Schürze

ein Schnittmuster


Die Stoffe

Bei den gemusterten Stoffen ist es wichtig, dass das Muster in der richtigen Richtung verläuft. Mehr oder weniger egal ist das nur beim Oberteil, weil du da die einzelnen Musterteile ganz leicht passend auflegen kannst. Bei der Schürze und beim Kittel wird aber nichts zugeschnitten. Hier darauf aufpassen, dass also z.B. Streifen oder Ranken parallel zur Webkante verlaufen und nicht quer über den Stoff.
Bei Unsicherheiten hält frau sich mit den Farbkombinationen am besten an erprobte Vorlagen wie z.B. das berühmte Ausseer Dirndl. An Mustern sieht man meist Streublumen, Rankenmuster und unifarbene Stoffe im Dreiklang. Um meiner Vorlage möglichst nahe zu kommen, habe ich hier auf den unifarbenen Leib verzichtet und statt dessen einen recht festen geblümten Bezugsstoff genommen, aus dem auch unsere Bettvorhänge sind. Da ich zwar vieles kann, aber keine Farben zusammenstellen, habe ich meine bessere Hälfte zur Sicherheit noch einmal gefragt und grünes Licht für meine Stoffkombination bekommen.

Meine Stoffe sind, mit Ausnahme möglicherweise des hellen mit den Blumen, aus Baumwolle. Dirndln aus Baumwollstoffen nennt man Alltags- oder Waschdirndln. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Baumwolle trägt sich angenehmer auf der Haut als auch die allerschönste Kunstseide, ich muss mit meinem Dirndl nicht jedesmal zur Putzerei laufen, nachdem ich es getragen habe, und es gibt auch reichlich Gelegenheiten es zu tragen, da es nicht zu festlich aussehen wird.
Die Stoffmengen habe ich recht großzügig bemessen, da beim Zuschnitt Reste für die Paspeln und das Kittelblech mehr als erwünscht sind. Und Stoffreste von hübschen Trachtenstoffen sollte es sowieso in jedem Haushalt zuhauf geben, zum Beispiel um Unmengen von Lavendelsackerln draus zu machen.
Der karierte Stoff sollte zum einen anständig Kontrast haben (meiner ist dunkelblau-weiß), damit man sich beim Hanseln leichter tut, zum anderen je nach Dicke von Schürzen- und Kittelstoff recht fein kariert sein (je dünner Schürzen- oder Kittelstoff, desto feiner sollte gehanselt werden).Wenn die Karos zu klein sind, kann man immer noch mit jedem Stich zwei auf einmal nehmen, wie unten erklärt.
Ich gehe durchwegs von 140 cm breiten Stoffen aus. Die richtig schönen, richtig teuren Trachtenstoffe sind machmal schmaler, dann entsprechend mehr davon nehmen!



Material: Stoffe, Kleinkram, Schnittmuster - und ein Bild von einer Birne
Das Schnittmuster

Ein Schnittmuster brauchst du nur für das Oberteil. Kittel und Schürze werden aus rechteckigen Teilen zugeschnitten, wie ich weiter unten erklären werde.
Käuflich erworben kann das Schnittmuster etwas in Form einer Zeitschrift werden, die sich Dirndlrevue nennt. Alte Handarbeitsbücher sind auch eine wunderbare Quelle.
Für mein erstes Dirndl habe ich mir den Schnitt einfach von einem gekauften Dirndl abgenommen: Küchentisch, dickes Handtuch drauf, Packpapier darüber, Oberteil so flach wie möglich auflegen und mit einer Stecknadel jedes einzelne Teil an den Nähten entlang mit Stichen "nachzeichnen"- voila Schnittmusterteile. Ist zwar ein bisschen Arbeit, funktioniert aber wunderbar.
Wenn du nicht sicher bist, ob dein Schnitt dir auch wirklich passt, schneide zuerst alle Teile aus dem Futterstoff zu, hefte sie zusammen und probiere das einmal an.

Jetzt aber los!


Schürze zuschneiden und hanseln

Ich beginne mit der Schürze, weil ich mich an diesem Stoff einfach nicht sattsehen kann. Er war das Geschenk einer Freundin, die keine Ahnung hat, was für eine Freude sie mir damit gemacht hat. Diese Farbe!
Das 1 m mal 1,40 m große Stück flach auflegen. Oben ist dort, wo der Stoff vom Ballen geschnitten wurde und bald der Schürzenbund sein wird (bei mir direkt unter dem Bild mit der Birne), links und rechts sind die Webkanten. Nun einfach links (oder rechts) drei Streifen vom Stoff abschneiden: zwei zu zwölf Zentimetern (das sind die Schürzenbänder) und einen mit acht Zentimetern, das wird der Bund.

Schürze zuschneiden

Jetzt wird gehanselt. Warum das so heißt, weiß ich nicht, aber ich kann erklären, was es ist: Sowohl die Schürze als auch der Kittel des Dirndls sind gerade geschnitten. Die Mehrweite wird an der Taille durch miniwinzige Stehfältchen eingehalten, und diese erzeugt man durch Hanseln. Ich habe mal ein Foto von meiner alten Schürze gemacht, damit man sich das besser vorstellen kann: Vorne sieht man die kleinen Falten, die durch regelmäßige Heftnähte entstehen, dahinter die Rückseite der Dirndlschürze: ein Streifen karierter Stoff als Hilfe beim Hanseln. An gekauften Dirndln sieht man so was nur, wenn sie im deutlich oberen Preissegment liegen, weil man es nur von Hand machen kann und es eine Heidenarbeit ist. Aber nicht verzagen: Das Ergebnis ist die Mühe wert!


Hanselfalten an einer fertigen Dirndlschürze

Im Detail funktioniert das jetzt so: Zuerst das große Stück Schürzenstoff umdrehen und einen der drei Streifen karierten Stoffs oder das erste Stück Hanselband entlang der Oberkante mit Stecknadeln alle paar Zentimeter feststecken. Dabei am Anfang und am Ende etwa 3 cm vom Schürzenstoff freilassen - siehe Bild unten. Dieser Rand wird später umgeschlagen und abgesteppt.
Penible Seelen können den karierten Stoffstreifen vorher zumindest an der Unterkante endeln. Mich stört es nicht, wenn er später ausfranst, also spare ich mir die Arbeit.
Wichtig ist es, den karierten Stoff nach dem Muster des Schürzenstoffes auszurichten. Dazu beim Feststecken die Nadeln immer schön gerade von oben nach unten stecken (an einer Linie des Karos ausrichten) und immer wieder alles umdrehen und nachschauen, ob die Nadeln auch außen am Muster der Schürze ausgerichtet sind. Das klingt komplizierter als es ist und erspart es dir, dass hinterher alles... irgendwie schief ausschaut.
Das Hanseln selber ist nicht weiter kompliziert: Entlang der Karos mit einer dünnen, langen Nadel einfach ganz normalen Vorstich nähen (genau wie beim Einreihen, hier zum Beispiel). Je nach Größe der Karos entweder immer über eines oder, bei einem kleineren Karo wie bei mir, über jeweils zwei Karos. Ein Stich ist auf diese Art bei mir ca. 4 mm lang. Bei sehr dünnen Stoffen sind kleine Abstände besser, weil andernfalls die Fältchen am Schluß zu weit auseinanderstehen und man der fertigen Schürze den Reihfaden noch sehen würde. Also im Zweifelsfall immer kleinere Karos/ Abstände nehmen.
Den Faden zum Reihen von der Spule abschneiden, damit man ihn bis zum Ende immer wieder nachziehen kann. Anfang und Ende nicht vernähen, etwa 20 cm Faden stehen lassen und zum Sichern achtförmig um eine Stecknadel wickeln. Auf diese Art sechs Reihen genau untereinander hanseln.
Die folgenden Reihen habe ich jeweils drei Karos tiefer begonnen, wie man auf dem Bild unten sehen kann. Immer darauf achten, dass die Stiche genau unter denen der vorhergehenden Reihe liegen.

Sechs Reihen gehanselt - ein gemütlicher Fernsehabend.
Um zu sehen, wie die Fältchen später an der fertigen Schürze aussehen werden, Stecknadeln auf einer Seite lösen und den Stoff mal probeweise an den Reihfäden in Fältchen schieben.

Fältchen zusammenschieben
Von vorne sieht das aus wie unten zu sehen und gefällt mir ganz gut. Bedenken, dass die erste Hanselreihe bei der fertigen Schürze unter dem Bund verschwinden wird. Nach sechs Reihen habe ich beschlossen, dass es mir genug ist. Für den Kittel werde ich zwei Reihen mehr machen.

So werden die fertigen Fältchen von vorne aussehen.

Kittel zuschneiden und hanseln

Für den Kittel aus den zwei Metern 1,40 breiten Stoff zwei Stücke zu je 1 x 1,40 m machen und diese so in der Mitte zusammennähen, dass man ein langes Stück 1 x 2,80 m hat. Das Versäubern der Naht erübrigt sich, da seitlich ja die Webkanten liegen.
Die restlichen beiden Karostreifen zusammennähen und an einer der 2,80 m langen Kanten entlang wiederum hinten auf den Stoff stecken. Damit etwa 15 cm von der Seitenkante weg beginnen und auch 15 cm früher enden: Der Rock wird nicht ganz rundherum in Fältchen gelegt. Unter der Schürze bleibt der Stoff gerade. Auch hierzu ein Bild von meinem alten Dirndl.


Fältchen enden ungefähr dort, wo später die Schürze getragen wird.

Auch hier darauf achten, dass das Hanselkaro genau nach dem Stoffmuster ausgerichtet ist - Streublumen vergeben genauso wenig wie Streifen, musste ich schon einmal feststellen. Nun acht Reihen hanseln. Auf dem Bild unten sieht man noch einmal im Detail, wie ich mit der Nadel mehrere Stiche auf einmal auffädle und auch wie die Reihen zueinander ausgerichtet sind. So, dem widme ich mich jetzt für den Rest des Abends.

Hanseln die Zweite





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